Hauptbereich
Medikamente für meine Schildkröte
Dr. Rajya Karumanchi-Dörsam zu Gast in der Stadtbücherei
„Wo gibt es denn so was?“, fragte Dr. Rajya Karumanchi-Dörsam schmunzelnd in die Runde, als sie einen drei Meter langen Papierstreifen mit einem einzigen deutschen Wort auseinanderrollte. In blumigen Worten lässt die gebürtige Inderin die Anwesenden teilhaben an ihren amüsanten Anekdoten beim Zurechtfinden im Dschungel der deutschen Sprache. Gerne erinnert sie sich zum Beispiel an die muntere Reaktion der Verkäuferin, als sie nach einer „Auslaufform“ fragte oder an das verdutzte Gesicht des Apothekers, den sie um Medikamente für ihre Schildkröte bat – statt Schilddrüse, bis heute ein „Running Gag“ in ihrem Freundeskreis, erzählte sie.
Im Rahmen der bundesweiten Interkulturellen Woche 2021, an der sich Östringen seit einigen Jahren beteiligt, wurde die in Mannheim lebende promovierte Politologin in die Stadtbücherei Östringen eingeladen, um aus ihrem bewegten Leben und von ihrem Ankommen in Deutschland zu erzählen.
Mit Stationen in Indien, Portugal, Brasilien und Deutschland hat Dr. Rajya Karumanchi-Dörsam eine wahrhaft internationale Biografie, die schon in ihrer Kindheit begann. Bedingt durch den Beruf ihres Vaters, war ihre Familie alle 18 Monate umgezogen. Deshalb hat sie in Indien neun verschiedene Schulen besucht. „Ich war immer ‚die Neue‘, beschrieb die Referentin ihre Rolle damals. Ihr Vorteil heute: „Ich komme überall zurecht.“
In Deutschland lebt sie nun die längste Zeit ihres Lebens. Auf die Frage, wie lange es gedauert habe, bis sie hier angekommen sei, antwortete sie mit der denkwürdigen Gegenfrage: „Bin ich angekommen?“ Und lacht wie so oft in den gemeinsamen zwei Stunden.
Immer wieder stößt Rajya auch heute noch an Grenzen, ist mit Vorurteilen und Schubladendenken konfrontiert – ob es der GEZ-Vertreter an der Tür ist, der sie mit „Hausherr da? Sprechen Deutsch?“ begrüßt oder die Dame in der Sprachschule, an der sie unterrichtet: „Wo gehst du putzen?“ oder die Wohnungsinhaberin, die beim Besichtigungstermin vorgibt, die Wohnung sei bereits vergeben. „Ich muss darüber lachen können, sonst gehe ich unter“, verrät die studierte Weltbürgerin, die ihre Doktorarbeit über Brasilien geschrieben und ihren deutschen Mann in Portugal kennengelernt hat. Erst vor drei Wochen sei sie gefragt worden, ob sie überhaupt schreiben könne. In ihrer humorvollen Art habe sie gekontert: „In welcher Sprache denn?“
„Man muss ein Stück stur sein, um durchzukommen“, resümiert sie. Seit 16 Jahren lebte sie bereits in Deutschland, bis sie zu ihrem ersten Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.
Heute ist die fünfsprachige, in internationalen entwicklungspolitischen Projekten erfahrene Akademikerin interkulturelle Promotorin für den Regierungsbezirk Karlsruhe und kümmert sich um die stärkere Einbindung von Migrantinnen und Migranten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft: „Viele Migrant*innen und Geflüchtete kommen mit großen Kompetenzen. Meine Aufgabe ist es, sie einzubeziehen.“
dbs