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700.000 Eicheln aus dem Stadtwald gingen auf weite Reiseicon.crdate29.11.2024
Wertvolles Saatgut aus Östringen kommt deutschlandweit zum Einsatz
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Wertvolles Saatgut aus Östringen kommt deutschlandweit zum Einsatz
Wertvolles Saatgut aus Östringen kommt deutschlandweit zum Einsatz
Herbstzeit ist Erntezeit, das gilt seit eh und je auch für die Eichen im Östringer Stadtwald. Wenn im Oktober der Wind durch die mächtigen Kronen der vielen stattlichen Eichenriesen weht, prasseln die reifen Früchte in großer Zahl auf den Waldboden. Um dann möglichst viel hochwertiges Eichensaatgut für die Forstbaumschulen zu gewinnen, ist viel Handarbeit und außerdem eine ausgeklügelte Sammeltechnik gefragt.
Im Östringer Gemeindeforst werden dementsprechende Aktionen zur Gewinnung von Saatgut für die Produktion von Jungpflanzen schon seit vielen Jahren durchgeführt. Im Auftrag der Stadtverwaltung kümmert sich Revierleiter Jochen Kaiser darum, dass insbesondere aus den hochwertigen Eichen- und Buchenbeständen immer wieder das Samenmaterial für kommende Baumgenerationen gewonnen werden kann.
In diesem Herbst arbeitete Kaiser in Bezug auf die Eichelernte mit einem in dieser Branche tätigen Lohnunternehmer aus Unterfranken zusammen. Von eifrigen Helfern wurden die braunen Früchte jetzt einzeln aus der Laubstreu gelesen, von groben Verunreinigungen befreit, in Säcke gepackt und möglichst unverzüglich von Östringen aus auf den Transportweg zu interessierten Baumschulen gebracht.
„Der Bedarf an Saatgut, um Forstpflanzen zu erzeugen, ist enorm hoch und in manchen Sortimenten haben sich die Preise in den letzten Jahren verdreifacht“, informierte nun Revierleiter Kaiser über die aktuelle Situation am Markt. Ein wesentlicher Grund für das hohe Preisniveau sei einerseits die hohe Nachfrage in ganz Deutschland, zum anderen spiele aber auch der anhaltende Mangel an hochwertigem Saatgut eine Rolle.
Wie Kaiser erläuterte, sei der dementsprechende „Engpass“ gerade bei Eicheln besonders gravierend, weil diese Baumfrucht nicht oder nur sehr eingeschränkt lagerfähig ist. Einfrieren sei bei Eicheln - anders als bei Bucheckern - keine gute Option, da ihre Keimfähigkeit durch den damit verbundenen mehrfachen erheblichen Temperaturwechsel deutlich beeinträchtigt werde. Am besten sei es daher, die Eicheln möglichst zeitnah nach der Lese in der Baumschule wieder „in die Erde zu bringen“. Bereits bei einer Aussaat erst im nächsten Frühjahr müsse man demgegenüber schon mit deutlichem „Ausfall“ rechnen und bei einer Verwendung erst im nächsten Herbst würden wohl lediglich noch etwa 30 Prozent der Eicheln keimen.
Die Eicheln werden von den in dem Metier tätigen Lohnunternehmern an spezielle Forstbaumschulen verkauft, bei denen entsprechende Beete gerichtet werden. Die Sämaschine zieht in den Beeten kleine Furchen, legt in diese die keimfähigen Eicheln ein und deckt die Baumfrüchte minimal mit Erdreich ab. Nach einem, zwei oder drei Jahren kommen die kleinen Eichenpflanzen dann in den Wald. Auch hier gilt „je früher, desto besser“, denn je älter die Jungbäume sind, desto schwieriger gestaltet sich wegen des bereits weiter ausgebildeten und dementsprechend empfindlichen Wurzelwerks das Umsetzen an den endgültigen Standort im Forst. Für flächenhafte Aufforstungen im Wald mit der Eiche werden meist zwei- und dreijährige Jungpflanzen eingesetzt.
Im Fall der Eiche kann die Aufzucht von Jungpflanzen wegen der eingeschränkten Lagerfähigkeit der Samenfrüchte jeweils nur in einem sogenannten „Mastjahr“ gestartet werden. Waldbäume tragen nicht in jeder Saison gleich viele Früchte. Jahre, in denen Kastanien, Eicheln und Bucheckern im Überfluss vorhanden sind, werden als Mastjahre bezeichnet - der Ausdruck stammt noch aus der Zeit, als die Bauern ihre Hausschweine im Winter bei einem entsprechenden großen Futterangebot im Forst zur Nahrungsaufnahme in den Wald geführt haben.
Wenn es der jeweilige Standort ermöglicht, ziehen die Forstleute mit Blick auf die besonderen Herausforderungen bei der Anlegung und Betreuung von Jungkulturen ohnehin die sogenannte Naturverjüngung der Eichenbestände vor. In Östringen, dessen Stadtwald einen im Landesvergleich sehr hohen Eichenanteil aufweist, konnte Revierleiter Kaiser solche Naturverjüngungen in den zurückliegenden Jahren bereits mehrfach erfolgreich umsetzen. Und wenn eben mehr Saatgut anfällt, als für die unmittelbare Naturverjüngung vor Ort gebraucht wird, können die Baumfrüchte aufgesammelt und für die Wiederaufforstung von Wäldern an anderer Stelle verwendet werden.
Bei der jüngsten Aktion zur Gewinnung der Samen von Quercus petraea, der Traubeneiche, kamen nun im Östringer Stadtwald, so beispielsweise in den Fortdistrikten entlang des Hammelsgrabens, insgesamt etwa 2.400 Kilogramm Eicheln zusammen, das sind überschlägig rund 700.000 Stück. Mit diesem Saatgut kann nun andernorts in kommenden Jahren auf einer Fläche von vielen Hektar neuer Eichenwald entstehen. Der finanzielle Erlös aus dem Verkauf des Saatguts ist für die Stadt Östringen mit etwa 1.200 Euro nun eher überschaubar, aber die Bedeutung solcher Sammelaktionen für eine nachhaltige Waldwirtschaft kann wohl gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Dabei spielt auch eine besondere Rolle, dass die Eiche auch in Sachen Klimastabilität viele Vorzüge hat, wie jetzt anlässlich der Sammelaktion in Östringen der Forstexperte Martin Rüter erklärte. „Die Eiche ist aktuell eine absolute Boom-Baumart“, sagte Rüter, der bis zu seiner Pensionierung im zurückliegenden Frühjahr als Leiter des Kreisforstamts Heilbronn fungierte und nun Revierleiter Jochen Kaiser bei der Östringer „Eichel-Lese“ begleitete.
„Auch die Wildschweine profitieren natürlich von dem aktuellen ergiebigen Futterangebot im Wald“, merkte Martin Rüter nun nicht ohne ein Schmunzeln noch an. "Bis zum März fressen die jetzt nur noch Eicheln", blickte der Forstmann auf die nächsten Monate voraus und ergänzte, dass als direkte Konsequenz in solchen Mastjahren auch die Jagd auf die Schwarzkittel durchaus erschwert sei, weil die Wildschweine höchstwahrscheinlich deutlich seltener an der Kirrung der Jagdberechtigten auftauchen, wo die Waidmänner die sogenannte „Lockfütterung“ mit Getreide oder Mais herrichten.
br.